Diese Inhaltsstoffe verstecken sich legal in Ihrer Gerste, ohne dass Sie es bemerken

Gerste gilt als eines der ältesten Kulturgetreide der Menschheit und erfreut sich heute wieder wachsender Beliebtheit. Tatsächlich wurde Gerste vor etwa 10.000 bis 12.000 Jahren im Fruchtbaren Halbmond domestiziert und gehört zusammen mit Einkorn und Emmer zu den ersten Kulturpflanzen, die der Mensch gezielt angebaut hat. Ob als Zutat in Suppen, als Gerstengraupen, in Müslimischungen oder als Basis für vegetarische Gerichte – das Getreide hat längst seinen Weg zurück in moderne Küchen gefunden. Doch bei genauerem Hinsehen offenbart sich ein Problem, das viele Verbraucher überrascht: Auch in scheinbar naturbelassenen Gerstenprodukten können sich Zusatzstoffe verbergen, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind.

Die Erwartung an Natürlichkeit trifft auf industrielle Realität

Wenn Verbraucher zu Gerstenprodukten greifen, verbinden sie damit häufig Vorstellungen von ursprünglicher Ernährung, Vollwertkost und gesunder Lebensweise. Die Werbung auf Verpackungen verstärkt diesen Eindruck mit Bildern von goldenen Getreidefeldern und Begriffen wie „natürlich“ oder „traditionell“. Diese Assoziationen führen dazu, dass die Zutatenliste oft nur flüchtig gelesen oder ganz ignoriert wird.

Die industrielle Verarbeitung von Gerste hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gewandelt. Was früher tatsächlich ein reines Naturprodukt war, durchläuft heute zahlreiche Verarbeitungsschritte, bei denen verschiedene Substanzen zum Einsatz kommen können. Diese dienen unterschiedlichen Zwecken: Sie sollen die Haltbarkeit verlängern, die Konsistenz verbessern, die Farbe bewahren oder schlichtweg die Verarbeitung für den Hersteller erleichtern.

Welche Zusatzstoffe können in Gerstenprodukten vorkommen?

Bei der Herstellung von Gerstenprodukten kommen verschiedene Kategorien von Zusatzstoffen zum Einsatz, die nicht immer sofort als solche erkannt werden. Zu den häufigsten gehören Antioxidationsmittel, die ein Ranzigwerden der enthaltenen Fette verhindern sollen. Auch wenn Gerste selbst relativ fettarm ist, können während der Verarbeitung Spuren oxidationsanfälliger Substanzen entstehen.

Trennmittel sind eine weitere Kategorie, die besonders bei Gerstengraupen oder Gerstenflocken zum Einsatz kommt. Sie verhindern, dass die Körner oder Flocken zusammenkleben und erleichtern somit die maschinelle Abfüllung. Auch Rieselhilfen fallen in diese Kategorie und werden selten kritisch hinterfragt, obwohl sie dem Produkt fremde Substanzen zuführen.

Besonders tückisch sind technologische Hilfsstoffe, die während der Verarbeitung eingesetzt werden, aber im Endprodukt theoretisch nicht mehr nachweisbar sein sollten. Das Problem: Die Deklarationspflicht für solche Stoffe ist eingeschränkt, sodass Verbraucher oft im Dunkeln tappen. Enzyme zur Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften oder Klärmittel bei der Herstellung von Gerstenprodukten für die Weiterverarbeitung können hierzu gehören.

Konservierungsstoffe in vorverpackten Gerstenmischungen

Fertige Gerstenmischungen, etwa für Eintöpfe oder Risotto-ähnliche Gerichte, enthalten häufig Konservierungsstoffe. Diese sind zwar deklarationspflichtig, werden aber von vielen Verbrauchern nicht als problematisch wahrgenommen. Sorbinsäure oder deren Salze gehören zu den gebräuchlichen Substanzen, die mikrobielles Wachstum hemmen sollen. Ob diese Stoffe notwendig sind oder primär der Kosteneinsparung bei der Lagerung dienen, bleibt oft unklar.

Die Lücken in der Kennzeichnung

Ein zentrales Problem beim Thema Zusatzstoffe in Gerstenprodukten liegt in den gesetzlichen Grauzonen der Kennzeichnungspflicht. Während Zusatzstoffe, die im Endprodukt eine technologische Wirkung haben, klar deklariert werden müssen, gilt dies nicht für sogenannte Carry-Over-Zusatzstoffe. Diese stammen aus Zutaten, die dem Gerstenprodukt beigefügt werden, und müssen unter bestimmten Umständen nicht separat ausgewiesen werden.

Ein konkretes Beispiel: Wird einer Gerstenmischung ein Gewürz beigemengt, das selbst Zusatzstoffe enthält, müssen diese nur dann deklariert werden, wenn sie im Endprodukt noch eine technologische Funktion erfüllen. Ist ihre Konzentration durch die Verdünnung so gering, dass sie angeblich keine Wirkung mehr haben, entfällt die Kennzeichnungspflicht. Für Verbraucher ist das problematisch, insbesondere wenn Allergien oder Unverträglichkeiten bestehen.

Worauf Verbraucher beim Einkauf achten sollten

Der bewusste Umgang mit Gerstenprodukten beginnt beim Lesen der Zutatenliste – und zwar vollständig. Selbst wenn ein Produkt mit natürlichen Zutaten wirbt, lohnt sich der Blick auf die Zutatenliste. Eine kurze Auflistung ist meist ein gutes Zeichen, doch auch hier können sich unerwünschte Substanzen verstecken.

Bio-zertifizierte Produkte unterliegen strengeren Richtlinien hinsichtlich der erlaubten Zusatzstoffe. Während konventionelle Lebensmittel aus einer umfangreicheren Liste von zugelassenen Zusätzen schöpfen können, ist die Palette bei biologischen Produkten deutlich eingeschränkt. Dennoch bedeutet ein Bio-Siegel nicht automatisch, dass ein Produkt frei von jeglichen Zusätzen ist.

Der Kauf von unverarbeiteter Gerste – also ganzen Körnern, die selbst geschält oder als Vollkorn verwendet werden – bietet die größte Sicherheit. Hier ist die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass Zusatzstoffe zum Einsatz gekommen sind. Die Verarbeitung in der eigenen Küche mag zeitaufwendiger sein, bietet aber maximale Kontrolle über das, was auf den Teller kommt.

Transparenz als Verbraucherrecht

Die derzeitige Rechtslage ermöglicht es Herstellern, Informationen zurückzuhalten, die für informierte Kaufentscheidungen wichtig wären. Verbraucherorganisationen fordern seit Jahren eine umfassendere Deklarationspflicht, die auch Verarbeitungshilfsstoffe und Carry-Over-Zusätze einschließt. Bis dahin bleibt Konsumenten nur die Möglichkeit, durch gezieltes Nachfragen bei Herstellern oder durch die Wahl besonders transparenter Anbieter Druck auszuüben.

Die Verantwortung liegt letztlich sowohl bei der Industrie als auch bei den Verbrauchern selbst. Während Erstere mehr Transparenz schaffen sollte, können Letztere durch informierte Kaufentscheidungen signalisieren, dass sie natürliche, unverfälschte Produkte bevorzugen. Gerste als Lebensmittel hat das Potenzial, ein wertvoller Bestandteil einer gesunden Ernährung zu sein – vorausgesetzt, man weiß, was wirklich im Produkt steckt.

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Was sind Gerstenprodukte

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